Das Kind muss ins Bett!
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Tipps - Was tun, wenn Ihr Kind nicht einschläft?
 
Ab wann muss ein Kind durchschlafen?
 
Am besten direkt nach der Geburt!
 
Was wie ein schlechter Witz klingt, war noch vor hundert Jahren traurige Realität. In einem Ratgeber dieser Zeit über Schwangerschaft, Geburt und Säuglingspflege lasen wir, dass Kinderärzte damals der Meinung waren, ein Kind könne nicht früh genug lernen, dass die Nacht zum Schlafen da sei.
 
So wurde Müttern also der Rat gegeben, das Kind nachts schreien zu lassen und auf keinen Fall zu stillen. Man versicherte, dass Kinder tagsüber genügend zu sich nehmen würden. Wahrscheinlich sind Sie schockiert - und das zu Recht. Aber was erwartet man heute von Kindern bezüglich des Durchschlafens?
 
Neugeborenen wird diese Bürde glücklicherweise nicht mehr auferlegt. Man hat eingesehen, dass Kinder in einem so zarten Alter auch nachts Nahrung benötigen und betrachtet ein Neugeborenes, auf dessen Bedürfnisse eingegangen wird, nicht mehr als verwöhnt. Der Magen eines Babys ist noch zu klein, um Nahrungsmengen aufzunehmen, die eine ganze Nacht vorhalten sollen. Generell wird empfohlen, solch kleine Kinder nach Bedarf zu stillen.
 
Bei älteren Babys sieht das allerdings wieder ganz anders aus, denn mit zunehmenden Alter stellt sich immer dringender die Frage: "Wann schläft das Kind endlich durch?"
 
Auch Mütter werden durch solche Erwartungen unter Druck gesetzt. Die erste Frage, mit der sie in der Gesellschaft konfrontiert werden, lautet meist: "Schläft dein Kind schon durch?" Muss sie diese Frage beschämt verneinen, ziehen sich erstaunt, wenn nicht sogar entsetzt die Augenbrauen hoch. Dann folgt der Ausruf: "Wie, dein Kind schläft noch nicht durch? Meiner schlief aber schon..."
 
Unweigerlich folgt dann die Suche nach den Ursachen des scheinbar so anormalen Verhalten des Kindes. Bekommt es abends genug zu essen? Ist es zu sehr verwöhnt worden? Oder ist es überhaupt angemessen, von einem Baby zu erwarten, dass es acht oder mehr Stunden am Stück schläft?
 
"Selbstverständlich", versichern uns Experten. "Wussten Sie, dass Kinder bereits ab dem sechsten Monat lernen können, mindestens neun Stunden ohne Unterbrechungen durchzuschlafen?"
 
 
Schlechte Angewohnheiten?
 
Neugeborene brauchen Zuwendung und Geborgenheit, die man ihnen auch nachts nicht versagen sollte, das sehen Fachleute heute ein. Wird das Kind ein halbes Jahr alt, ist allerdings Schluss mit dem Verwöhnen. Ab diesem Zeitpunkt soll ein Kind per Definition in der Lage sein, allein durchzuschlafen. Seine Bedürfnisse nach Tragen und Nuckeln sind jetzt nicht mehr natürlich, sondern gelten als schlechte Angewohnheiten, von denen es schleunigst befreit werden muss, will es sie nicht ein Leben lang mit sich herumtragen.
 
"Eltern müssen wissen, dass Kinder selbständiges Einschlafen lernen können und wollen, soweit sie die Gelegenheit dazu erhalten und nicht durch falsche Verhaltensmuster davon abgehalten werden", mahnen unsere Koryphäen. Alle Mütter, die es bisher so bequem fanden, ihre Kinder in den Schlaf zu stillen oder das Bedürfnis hatten, ihr Kind zärtlich in den Schlaf zu wiegen, sollten also schleunigst aufhören, ihre Kinder durch falsche Verhaltensmuster zu verderben. Das Kind verbindet sonst fürsorgliche Handlungen mit dem Einschlafen und gerät in eine zu große Abhängigkeit von den Eltern.
 
Und wenn das Kind nachts Hunger hat? Diesen soll man, gebieten unsere Schlafexperten, keineswegs nur den Wünschen des Kindes entsprechend stillen. Statt dessen ist zu überlegen, ob es sich dabei um normale Bedürfnisse handelt. Von dieser Forderung bleiben nicht einmal Säuglinge verschont: Wollen sie mehrmals in der Nacht gestillt werden, kann es sich dabei angeblich um einen krankhaften Zwang zum Essen und Trinken handeln. Das Kind entwickelt den mehrmaligen Hunger nur aus reiner Gewohnheit. Daher ist es Aufgabe der Eltern, dem Kind beizubringen, zu "angemessenen" Zeiten Hunger zu haben. Ein Kind, das mit einem halben Jahr nachts noch gestillt werden will, muss damit rechnen, als nicht normal betrachtet zu werden.
 
Falls der Schaden der schlechten Angewohnheit bereits vorhanden ist, ist er durch die ausgefeilte Technik der Schlafexperten wieder zu beheben. Sie sehen vor, das Kind ins Bett zu bringen und es schreien zu lassen, wobei man nach immer länger werdenden Intervallen zwischendurch das Kinderzimmer betritt, um dem Kind immerhin ab und zu die Anwesenheit der Eltern zu gewähren. Es ist allerdings verboten, das Kind aus dem Bett zu nehmen, geschweige denn, zu tragen, denn: "Dieses Verhalten verzögert nur den Lernprozess und hindert das Kind daran, selbständig einschlafen zu lernen."
 
Man verspricht, dass sich der gewünschte Erfolg bereits nach drei Tagen einstellen soll. Ist dies nicht der Fall, werden die Eltern angeklagt: "Sollte sich nach fünf Nächten noch keine Besserung abzeichnen, müssen alle Beteiligten - also beide Elternteile und alle weiteren Aufsichtspersonen - überprüfen, ob sie die Verhaltensregeln wirklich strikt eingehalten haben."
 
Haben die Eltern sich allerdings brav an alle Anweisungen des Rezeptes gehalten, sind sie ab sofort mit einem Engel gesegnet, der mit sechs Monaten durchschläft - das Kind hat aufgegeben.
 
 
Durchschlafen mit sechs Monaten - warum eigentlich?
 
Wie nett, dass man den Kleinen heutzutage immerhin etwas Zeit gibt, bevor sie sich Regeln unserer Gesellschaft beugen müssen. Anfangs dürfen sie nachts gestillt und getröstet werden, vorausgesetzt natürlich, das nächtliche Füttern nimmt nicht überhand. Ab einem halben Jahr behandelt man sie allerdings, so erscheint es uns, kaum anders als vor hundert Jahren.
 
Nach welchen Kriterien die Experten die kindlichen Bedürfnissen in "normal" und "schlecht", unterteilen, ist uns kaum verständlich. Was soll an mehrmaligem nächtlichem Stillen bitte krankhaft sein? Es dürfte wohl allgemein bekannt sein, dass kein Kind mit einer Essstörung zur Welt kommt. Weiterhin wird auch kein Schlafexperte bestreiten, dass das Stillen die natürlichste Art der Ernährung von Babys ist - wie soll sich daraus eine Essstörung entwickeln?
 
Die Zusammensetzung der Muttermilch weist darauf hin, dass es völlig normal ist, Kinder auch nachts öfter zu stillen. Sie ist arm an Fett und Proteinen, reich an Kohlehydraten und sehr schnell verdaut. Die Nacht soll nach Expertenmeinung ausschließlich zum Schlafen da sein. Das hindert Kinder aber nicht daran, auch nachts zu wachsen. Im ersten Lebensjahr verdreifachen sie ihr Gewicht. In Anbetracht dieser Tatsache erscheint es uns daher nicht als anormal, wenn es Babies gibt, die auch nach dem sechsten Monat nachts gestillt werden möchten. Sicherlich gibt es viele Kinder, die in diesem Alter bereits durchschlafen, doch sollte man nicht auch bedenken, dass auch Kinder individuell verschiedene Bedürfnisse haben?
 
Leider wurde bei diesen Empfehlungen ungenügend darauf eingegangen, dass Kinder auch oft aus anderen Gründen als Hunger nachts aufwachen. Gerade mit Beginn der Krabbelphase wird das Baby tagsüber mit einer Vielzahl von neuen Eindrücken konfrontiert, die verarbeitet werden müssen. Auch Zähne können eine Ursache für unruhige Nächte sein. Und wenn ein Kind ohne erkennbare körperliche Ursache nachts aufwacht, braucht es vielleicht einfach nur ein wenig Trost und Kuscheln.
 
Regelmäßiges Stillen gerade in den ersten Lebensmonaten scheint auch eine Prävention gegen SIDS, den plötzlichen Säuglingstod zu sein. Man vermutet, dass die Wahrscheinlichkeit, dass der Atem aussetzen könnte, geringer ist, wenn sich das Baby im REM-Schlaf befindet. Dieser wird durch das nächtliche Saugen begünstigt.
 
Nicht nur das Kind profitiert vom nächtlichen Füttern. Je regelmäßiger eine Mutter auch nachts stillt, desto geringer scheint die Wahrscheinlichkeit zu sein, dass sie einen Eisprung hat. So dient das Stillen zusätzlich als natürliche Empfängnisverhütung.
 
Man hat außerdem festgestellt, dass Muttermilch Stoffe enthält, die beruhigend wirken - eine mögliche Erklärung dafür, dass Kinder an der Brust sehr schnell wieder einschlafen. Wenn ich Iris abends in den Schlaf stillte, war sie innerhalb von fünf Minuten eingeschlafen. Wir sollen unser Kind also einer Einschlafdressur nach Stoppuhr unterziehen anstatt auf eine von der Natur perfekt eingerichtete Einschlafhilfe zurückzugreifen? Da stellt sich uns, ehrlich gesagt, die Frage, welches von beiden die krankhaftere Vorgehensweise ist.
 
Gerade kleine Babies sind noch nicht in der Lage, zu begreifen, dass die Eltern nicht verschwunden sind, wenn sie sich lediglich in einem anderen Zimmer befinden. Daher ist es nur normal, dass sie schreien, wenn sie feststellen, dass sie allein sind. Sie sind sich der Tatsache bewusst, dass sie ohne ihre Eltern nicht überlebensfähig sind. Auch das Zeitgefühl ist noch nicht vollständig ausgeprägt: für das Baby macht es keinen Unterschied, wie lange genau es allein ist. So muss die Tatsache, dass man kleinen Kindern das Durchschlafen anerziehen kann, keineswegs bedeuten, dass man damit seinen natürlichen Bedürfnissen entspricht.
 
"Eltern müssen wissen, dass Kinder selbständiges Einschlafen lernen können und wollen, soweit sie die Gelegenheit dazu erhalten" - wir glauben kaum, dass unsere Tochter sich später darüber beschweren wird, dass wir ihr, da sie auch nachts auf elterliche Fürsorge nicht verzichten musste, keine Gelegenheit gegeben haben, beizeiten selbständiges Einschlafen zu lernen.
 
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© 2003 by Britta Nowak
 
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