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Unterscheiden, warum ein Kind weint
Ich denke, dass man einfach ganz genau unterscheiden muss,
warum ein Kind nachts weint! Ich sehe durchaus ein, dass
Kinder sich dumme Marotten aneignen können (zehnmal
nachts Schnuller reinstecken lassen, mehrmals nachts ein
Schlückchen aus der Flasche usw.) und ich glaube nicht,
dass man Kindern Nestwärme entzieht, wenn man ihnen diese
Angewohnheiten abgewöhnt - notfalls auch mit
Ferber,
wenn es für die Eltern okay ist.
Auch glaube ich, dass es durchaus Fälle geben kann, wo die
Mutter-Vater-Kind-Beziehung unter den gestörten
Nächten mehr leidet und dem Kind daher aufgrund der
genervten und ausgelaugten Eltern mehr Nestwärme fehlt, als
wenn sie mit Hilfe von Ferber zwar die Nächte allein in
ihrem Bett verbringen, dafür aber tagsüber wieder
ausgeglichene und fröhliche Eltern haben.
Was mich aber an dem Buch "Jedes Kind kann schlafen
lernen" sowie generell an manchen Ferber-Befürwortern
stört, ist die Verallgemeinerung von Schlafproblemen: Wenn
jemand von unruhigen Nächten schreibt, heisst es
häufig sofort: Ferber hilft!
Ohne Rücksicht darauf, ob das Kind vielleicht normalerweise
ein guter Schläfer ist und nun plötzlich nächtens
wach wird, was darauf hindeutet, dass er/sie eine
Entwicklungsphase durchmacht, die ihm/ihr vielleicht den Schlaf
raubt, und auch ohne Betrachtung der Schlafproblematik: Ob es
eben um eine Marotte oder tatsächlich, dass angesprochene
"Bedürfnis nach Nestwärme" geht, dass man
einem Kind sicher nicht mittels "Schlaferziehung"
verwehren sollte!
Für meinen Geschmack ist es ein Indiz für diese
Sehnsucht nach Nähe, wenn zum Beispiel das Kind im
Elternbett völlig unproblematisch schläft,
während es im eigenen Bett entweder gar nicht einschlafen
kann oder irgendwann in der Nacht weinend wach wird und nicht
wieder im Bett einschlafen kann und mag. Ebenso gegen eine
einfache Marotte spricht, wenn sich das Kind, kaum dass man
ihm eine nächtliche Angewohnheit "abtrainiert"
hat, schon die nächste auf Lager hat: Das spricht
nämlich für mich dafür, dass das Kind immer neue
Methoden sucht, die elterliche Präsenz, die ihm freiwillig
nicht gewährt wird, nachts auf irgendeine Art und Weise
einzufordern.
In all diesen Fällen ist Ferber, denke ich, nicht nur
sinnlos sondern sogar sehr grausam gegenüber dem Kind! Und
ich denke, selbst wenn das Kind irgendwann aufgibt und dennoch
die Nächte im eigenen Bett verbringt, kann es
tatsächlich Langzeitschäden in der Psyche und vor
allem in der Eltern-Kind-Beziehung hervorrufen.
Ich denke einfach, so unterschiedlich wie Kinder in ihrer
sonstigen Entwicklung sind, so unterschiedlich sind sie auch in
ihrem Schlafverhalten - und so unterschiedlich wie ihr
Schmusebedürfnis und ihre Anhänglichkeit tagsüber
ist, so unterschiedlich ist es auch nachts.
Während tagsüber aber niemand auf die Idee käme,
ein Kind, das sich gerne an Mama und Papa kuschelt, davon
abbringen zu wollen, sondern jeder es "sooooo
süüüüß" findet, wenn ein Kind so
zärtlich an seinen Eltern hängt, wird dieselbe
Anhänglichkeit und Verschmustheit nachts gerne verdammt
und als dumme Marotte abgestempelt bzw. ist man gerne der
Meinung, das Kind müsse endlich mehr Selbständigkeit
lernen usw. - also Ferber her.
Das ist es, was ich sehr traurig finde. Insofern denke ich, dass
jeder recht hat, wenn er sagt, dass es einfach unterschiedliche
Kinder gäbe und man von Fall zu Fall unterscheiden
müsse - und ich glaube, dass es sich niemand leicht macht
mit der Entscheidung! Wir wollen doch alle nur das Beste
für unsere Kinder, oder?
Meine kleine Maus hat übrigens mit einem Jahr von selber
das Einschlafen und Durchschlafen gelernt: Bis dahin ist sie
meist abends auf unserem Arm eingeschlafen (wir haben es lange
mit dem allein Schlafen versucht - kein Erfolg ...) und war auch
oft mal ab Mitternacht bei uns im Bett, wo sie dann seelig und
zufrieden schnaufend bis morgens schlief.
Irgendwann wachte sie immer wieder auf, wenn wir sie abends ins
Bett legten, setzte sich kurz hin, grinste, schnappte sich ihren
Schnuller und legte sich hin, um zu schlafen. Das war's - so ist
es bis heute von Ausnahmen abgesehen geblieben. Und in 85% der
Nächte schläft sie inzwischen durch ... Klar wäre
uns auch lieber gewesen, wenn's früher gewesen wäre
(vor allem, weil sie nachts zwar tief und fest bei uns im Bett
schläft - nichtsdestotrotz aber sehr mobil im Schlaf
ist ...).
Aber als wir versucht haben, es ihr anzugewöhnen (Ferber in
Light-version: D. h. mit ihr zusammen in ihrem Zimmer bleiben,
nicht zu uns gehen, aber sie auf den Arm nehmen usw.), stellten
wir fest, dass die Nächte, die sie wach wurde, immer
öfter wurden und die Wachphasen jedesmal länger.
Als wir sie dagegen ließen, schlief sie immer öfter
problemlos durch und wenn sie zu uns kam, schlief sie in unserem
Bett sofort weiter bis zum Morgen!
Also hat sie es wohl einfach gebraucht ... und in dem Moment, wo
sie wusste: Ich darf, wenn ich will, hatte sie es nicht
nötig, es sich immer wieder zu beweisen bzw. zu
erkämpfen ... es gibt also auch solche Fälle!
Beitrag von Anja Winter im Diskussionsforum auf rund-ums-baby.de vom 28.08.2000.
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